Wohin geht die Reise?
Globale Erwärmung, abnehmende fossile Rohstoffe und eine zunehmende öffentliche Distanz zur Energieerzeugung aus Atomkraft fordern die Entwicklung neuer Lösungen. Nachwachsende und nachhaltig verfügbare Rohstoffe für die energetische wie auch für die stoffliche Nutzung bieten sich dafür an. Holz ist ein attraktiver Alleskönner. Und Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Die Energiewende in Deutschland und Europa verlangt nach zusätzlichem Einsatz von Holz für die Erzeugung von Wärme und Strom.
Aus ähnlichen Gründen wird die stoffliche Nutzung von Holz vorangetrieben. Die stoffliche Nutzung von Holz ist in seiner Wertschöpfung der energetischen Nutzung um den Faktor vier bis neun überlegen. Dies lässt sich anhand der langen Wertschöpfungsketten zahlreicher Produkte aus Holz gut belegen. Beim direkten Verbrennen von Holz ist dagegen die Wertschöpfungskette kurz. Global sind Angebot und Nachfrage nach Holz noch im Gleichgewicht. Ein aufkommender Nutzungskonflikt vor allem in Europa ist allerdings absehbar. Die Ziele des EU-Biomasse Aktionsplans können zu einer Fehlmenge an Holz in einer Größenordnung von bis zu 200 Millionen m³ Holz im Jahr führen. Diese anhaltende Nachfrage nach Holz treibt die europäischen Holzmärkte. Steigende Holzkosten greifen die traditionelle Wertschöpfungskette an. Holzimporte könnten den Markt ausgleichen. Um die 202020 Ziele der EU zu erreichen und gleichzeitig die Entwicklung der Wertschöpfung aus Holz nicht zu gefährden, müssen Politik und Wirtschaft kurzfristig Zeichen setzen. In Zeiten der Klimaerwärmung und Rohstoffknappheit muss bei den gesetzten Zielen der beste Nutzungspfad aus Wertschöpfung, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Wertschätzung gewählt werden. Holz eröffnet hierzu die einmalige Chance zur Potentialentfaltung in neu zu definierenden Wertschöpfungsketten.
Eine Zukunftsstrategie für die stoffliche Nutzung von Holz in Europa muss neu definiert werden. Die traditionellen stofflichen Verwender von Holz werden ihr Geschäftsmodell, ihre Geschäftslogik überdenken müssen. Will man den Wandel nutzen, wird man eine Strategie entwickeln, die die Unternehmen vom reinen vertikal integrierten Rohstoffverbraucher zum Rohstoffspezialisten mit Synergien in vertikaler und horizontaler Integration optimiert.
Die traditionelle Wertschöpfungskette Holz erhält die Chance zu einer Renaissance. Die weitere Entwicklung der energetischen Nutzung von Holz muss nicht zwingend eine Marktaustrittskaskade für die traditionellen stofflichen Nutzer bedeuten. Sie kann auch als Brücke zum Markteintritt für neue Verfahren und Produkte aus Holz dienen. Holz nimmt in der Nutzung nachwachsender Rohstoffe schon heute eine dominante Rolle ein. 84 % der Nutzung nachwachsender Rohstoffe bestehen in Deutschland aus Holz. Nur 16% kommen bisher aus dem Agrarsektor. Holz ist einer der wenigen nachwachsenden Rohstoffe, der weltweit ständig verfügbar und in seinem Aufkommen an Volumen und Masse dem Aufkommen an Erdöl gleich kommt (FAO, USDA u.a.).
Holz bietet einen stabil nachwachsenden Rohstoff, der mit den Bestandteilen Cellulose, Polyosen und Lignin den Grundstein für die Wertschöpfungskette Holz des 21.Jahrhunderts legt. Der Aufschluss von Holz ermöglicht die effiziente Nutzung der beteiligten Biopolymere. Aus der aufgeschlossenen Faser (Cellulose) entstehen neben Papier, Textilfasern und Folien. Aus Cellulosederivaten entstehen Chemikalien für den Bau, Nahrungsmittel, Additive für die pharmazeutische Industrie, Folien und Kunststoffe. Aus Lignin entstehen Phenole, Carbonfasern, Klebstoffe und vieles mehr. Aus Hemicellulosen entstehen Lösungsmittel, Nahrungszusätze, Barrieremittel. Aus Extraktstoffen und Harzen entstehen Fettsäuren, Medikamente, bioaktive Chemikalien. Aus Mono- und Oligozuckern entstehen Ethanol, Detergentien und viele weitere Produkte. Eine gezielte Modifizierung der Biopolymeren ermöglicht u.a. ihre Verwendung als Precusor für die Kohlenstofffaserproduktion.
Holz eröffnet die Chance zur Potentialentfaltung in einer neu definierten Wertschöpfungskette Holz. Es eröffnet einer künftigen nachhaltigen Gesellschaft die Chance zur Vereinigung von ökologischen und ökonomischen Interessen.
Die Verfolgung dieses Zieles rechtfertigt die Definition der Kaskadennutzung wie sie das Umweltbundesamt in Berlin heute bereits versteht: „Eine Strategie, Rohstoffe oder daraus hergestellte Produkte in zeitlich aufeinander folgenden Schritten solange, so häufig und so effizient wie möglich stofflich zu nutzen und erst am Ende des Produktlebenszyklus energetisch zu verwerten. Dabei werden sogenannte Nutzungskaskaden durchlaufen, die von höheren Wertschöpfungsniveaus in tiefere Niveaus fließen. Hierdurch wird die Rohstoffproduktivität gesteigert.“ Sollte dies gelingen, kommt man möglicherweise der Vision einer nachhaltigen Gesellschaft einen kleinen Schritt näher.